Wie Ankern dir hilft, dich selbst zu regulieren

Veröffentlicht: 5. September 2025
Teamsitzung, eine unerwartete Mail, ein genervter Blick und innerlich fährt das System
hoch. Die Schultern spannen sich an, der Puls geht nach oben, der Kopf wird eng. Was da
passiert, ist ganz normal: eine emotionale Stressreaktion.
Die gute Nachricht: Du kannst lernen, diese Reaktion zu regulieren – nicht, indem du
Gefühle unterdrückst, sondern indem du einen bewussten Umgang mit ihnen entwickelst.
In meinem letzten Artikel ging es darum, wie Sprache unsere Resilienz beeinflusst. Heute
gehen wir einen Schritt weiter, nämlich in den Körper. Und ich zeige dir eine Methode, die
dich im stressigen Alltag unterstützt, ohne dass du ein Meditationskissen brauchst: das
sogenannte Ankern.
Was ist Emotionsregulation und warum ist sie so wichtig?
Emotionsregulation bedeutet, mit inneren Reaktionen wie Wut, Angst, Enttäuschung oder
Hilflosigkeit bewusst umzugehen. Gerade in stressigen Situationen, also wenn es im Außen
laut wird, brauchen wir im Inneren einen ruhigen, stabilen Punkt, der uns handlungsfähig
hält.
In der Resilienzforschung gilt Emotionsregulation als zentrales Werkzeug: Sie hilft uns,
nicht im Stress stecken zu bleiben, sondern wieder in eine lösungsorientierte, reflektierte
Haltung zu kommen.
Wenn du emotional festhängst, ist oft keine rationale Lösung in Sicht. Deshalb brauchen wir
Techniken, die den Körper mit einbeziehen und genau da setzt das Ankern an.
Was bedeutet Ankern überhaupt?
Das Prinzip des Ankers stammt ursprünglich aus dem NLP (Neuro-Linguistisches
Programmieren) und meint eine gezielte Verknüpfung zwischen einem Reiz, z. B. einer
Geste, einem Bild oder einem Geruch – und einem inneren Zustand.
Du kennst das bestimmt:
- Ein Lied erinnert dich sofort an einen schönen Sommerabend.
- Der Geruch von Sonnencreme bringt dich gedanklich an den Strand.
- Ein bestimmter Blick auf dein Kind gibt dir innere Stärke, selbst wenn’s gerade chaotisch
- ist.
stabilisieren.
Ankern in der Praxis – so geht’s
- Erinnere dich an einen Moment, in dem du dich richtig gut, glücklich, ruhig, sicher, stark oder verbunden gefühlt hast. Vielleicht war es ein Abend am See, ein Erfolg im Beruf, ein Gespräch mit einer Freundin oder ein stiller Moment auf dem Sofa.
- Rufe dieses Gefühl ganz bewusst in dir wach: Was hast du gesehen? Was hast du
gehört? Wie war deine Körperhaltung? Was hast du gefühlt – körperlich und
emotional?
- Wähle nun einen Anker, den du mit diesem Zustand verknüpfen möchtest. Das kann
sein: eine Geste (z. B. Daumen und Zeigefinger zusammenlegen, die Hand aufs Herz
oder einen bestimmen Punkt auf deinem Körper legen...), ein bestimmtes inneres Bild (z. B. dein Kraftort in der Natur) oder auch ein
Duft (z. B. Lavendelöl)
- Wiederhole diese Verknüpfung bewusst mehrere Male – am besten täglich für ein
paar Tage. Jedes Mal, wenn du die Geste machst oder das Bild aufrufst, verbinde
dich mit deinem inneren Zustand.
- Nutze deinen Anker aktiv, wenn du im Alltag spürst: „Jetzt wird’s eng.“ Du wirst
merken – dein System erinnert sich.

Warum das so kraftvoll ist
Unser Gehirn liebt Verknüpfungen. Es speichert Erfahrungen in Netzwerken. Wenn du ein
positives Gefühl mit einem äußeren Reiz koppelst, entsteht mit der Zeit eine Art neuronale
Abkürzung. Dein Körper reagiert dann automatisch, noch bevor dein Verstand sich
einschaltet.
Das ist besonders hilfreich, weil emotionale Reaktionen schneller sind als kognitive
Prozesse. Ein Anker kann dich also aus der Überforderung holen – zurück in Klarheit und
Selbstwirksamkeit.
Alltagstauglich, unauffällig und ganz dir selbst gewidmet
Das Schöne am Ankern ist: Es funktioniert unauffällig. Du musst niemandem erklären, was
du da machst. Eine kleine Geste unter dem Tisch, ein kurzer Blick auf ein inneres Bild und
schon bist du wieder bei dir
Du brauchst keine Ruheoase, keine halbe Stunde Zeit und kein Equipment. Nur einen
Moment der Achtsamkeit und die Bereitschaft, dich selbst zu stärken.
Fazit: Du darfst dich selbst stabilisieren
Emotionsregulation ist keine Schwäche. Es bedeutet nicht, „immer im Griff zu haben“,
sondern bewusst mit dir umzugehen. Dir selbst zur Seite zu stehen. Dich in stressigen
Momenten nicht zu verlieren.
Das Ankern ist dabei ein wunderbares Werkzeug: sanft, wirksam und alltagstauglich. Es
hilft dir, in Verbindung mit deiner inneren Kraft zu bleiben, gerade wenn außen alles
wackelt.
Also: Finde deinen Anker. Übe ihn, am besten dann, wenn du ihn gerade nicht
brauchst. Und dann: Verlass dich darauf, dass er dich trägt, wenn’s darauf ankommt.