Progressive Muskelentspannung - Loslassen mit dem Körper

Progressive Muskelentspannung - Loslassen mit dem Körper

Veröffentlicht: 13. November 2025

In den letzten Artikeln haben wir uns viel mit dem beschäftigt, was in unserem Kopf passiert: mit Gedanken, innerer Ruhe, Achtsamkeit und mentaler Balance. Doch manchmal braucht Entspannung einen anderen Weg. Einen, der nicht übers Denken führt, sondern übers Spüren. Denn während der Geist oft noch grübelt, kann der Körper längst loslassen. 

Und genau da setzt die Progressive Muskelentspannung (PMR) an: eine Methode, bei der du Anspannung und Entspannung ganz bewusst erlebst und dadurch nicht nur körperlich, sondern auch innerlich zur Ruhe kommst.

Was ist Progressive Muskelentspannung überhaupt?

Die Methode geht auf den amerikanischen Arzt Edmund Jacobson zurück. Er entdeckte schon vor über 100 Jahren, dass wenn sich Muskeln gezielt entspannen,auch das Nervensystem reagiert. Herzschlag, Atmung und Gedanken beruhigen sich.

Das Prinzip klingt simpel, ist aber unglaublich wirkungsvoll: Anspannen – Halten – Loslassen.
Ein Muskel nach dem anderen wird kurz angespannt, dann wieder gelockert. Durch dieses bewusste Wahrnehmen entsteht ein feiner Unterschied zwischen Spannung und Entspannung und der Körper lernt, diesen Zustand gezielt herzustellen.

Das Schöne daran: Du brauchst nichts außer dir selbst. Kein Equipment, keine Musik, keine Matte. Nur ein paar Minuten Zeit und die Bereitschaft, einmal ganz bei dir anzukommen.

Ein Blick in die Wissenschaft

Mehrere wissenschaftliche Studien bestätigen die Wirksamkeit der Progressiven Muskelentspannung. Durch das bewusste Wechselspiel von Anspannung und Entspannung wird der Parasympathikus, also der Teil des vegetativen Nervensystems, der für Ruhe und Regeneration zuständig ist, aktiviert. Das führt zu einer messbaren Senkung von Blutdruck, Herzfrequenz und Muskeltonus.

Auch auf psychischer Ebene wirkt PMR: Untersuchungen zeigen, dass sie Stress, innere Unruhe und Schlafstörungen deutlich reduzieren kann. Daher wird sie heute in vielen Bereichen eingesetzt, von der Schmerztherapie über die Rehabilitation bis hin zur betrieblichen Gesundheitsförderung.

Dass Progressive Muskelentspannung (PMR) wirkt, ist wissenschaftlich längst bestätigt


Warum der Körper manchmal der bessere Einstieg ist

Oft versuchen wir, uns über den Kopf zu entspannen, mit Gedanken wie „Jetzt beruhig dich“ oder „Ich muss runterkommen“. Doch genau das funktioniert nicht immer. Der Körper aber ist ehrlich. 
Wenn du Muskeln anspannst und wieder loslässt, kann er gar nicht anders, als zu reagieren.

Mit jeder Entspannung sendet er deinem Nervensystem das Signal: Alles ist in Ordnung. Und genau das macht diese Methode so kraftvoll. Sie hilft dir, loszulassen, ohne dass du aktiv „etwas denken“ musst. 

So funktioniert’s:
  • Finde einen Moment für dich. Im Sitzen oder Liegen – wie es gerade passt.
  • Spanne eine Muskelgruppe an. Zum Beispiel die Fäuste: Ball sie kräftig zusammen.
  • Halte die Spannung kurz. Etwa fünf bis sieben Sekunden – spür die Kraft in den Muskeln.
  • Dann: bewusst loslassen. Spüre nach, wie sich Entspannung anfühlt.
  • Wandere weiter. Von den Händen zu den Armen, über Gesicht, Rücken, Bauch, Beine bis zu den Füßen. Nach und nach sinkt dein ganzer Körper in eine wohltuende Ruhe.

Kleiner Exkurs: PMR im Büro – unauffällig entspannen

Wer sagt eigentlich, dass man für Entspannung immer die Augen schließen und eine halbe Stunde Zeit haben muss? Gerade im Büro, zwischen Terminen, Mails und Kaffeetassen, lässt sich die Progressive Muskelentspannung wunderbar „im Kleinen“ anwenden. Schnell, effektiv und völlig unauffällig.

  • Mini-Übung 1: Hände & Schultern
    Drück deine Handflächen fest gegeneinander, halte kurz und lass dann locker. Oder: Zieh die Schultern kräftig zu den Ohren, halte die Spannung und mit einem bewussten Ausatmen wieder fallen lassen.
  • Mini-Übung 2: Gesicht & Kiefer
    Zähne leicht zusammenpressen, Stirn runzeln, Augen schließen, kurz halten, dann alles lösen. Der Effekt ist sofort spürbar, besonders, wenn du oft mit konzentriertem Gesichtsausdruck arbeitest.
  • Mini-Übung 3: Beine & Füße
    Drück die Füße fest in den Boden, als wolltest du aufstehen, ohne es zu tun. Halten, lösen, nachspüren. Niemand wird merken, dass du gerade etwas für deine Entspannung getan hast, aber dein Körper schon.
Diese kleinen Mikropausen wirken wie ein Reset mitten im Alltag. Sie holen dich raus aus der Daueranspannung und helfen, Stress gar nicht erst festzuhalten.

Mini-PMR-Übung: Drück deine Handflächen fest gegeneinander, halte kurz und lass dann locker


Fazit: Wenn Loslassen körperlich wird

Die Progressive Muskelentspannung ist kein neuer Trend, sondern eine bewährte Methode, um dem Körper beizubringen, wie sich Ruhe anfühlt. Sie ist praktisch, unaufwendig und funktioniert überall: auf der Couch, im Büro oder sogar im Auto (natürlich nur an der Ampel).

Wenn dein Kopf mal wieder zu laut ist, probier’s über den Körper. Denn manchmal beginnt echte Entspannung nicht mit einem Gedanken, sondern mit einem bewussten Loslassen der Schultern.

Wer schreibt hier?

Nicola Dankert
Nicola Dankert

Ich bin Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin sowie zertifizierte Präventionskursleiterin mit den Schwerpunkten Multimodales Stressmanagement und Entspannungstechniken. Viele Jahre habe ich selbst in der ambulanten und stationären Pflege gearbeitet, erst als Pflegekraft während meines Studiums, später im Pflegemanagement. Ich weiß also aus eigener Erfahrung, was psychische und physische Belastungen im Arbeitsalltag mit einem machen können. Genau deshalb habe ich mich auf die betriebliche Gesundheitsförderung im Pflege- und Sozialbereich spezialisiert. Heute unterstütze ich Einrichtungen dabei, die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu stärken: mit praxisnahen Kursen zu Resilienztraining, Stressbewältigung, Autogenem Training und Progressiver Muskelentspannung. Es ist mir ein Herzensanliegen, Menschen in herausfordernden Berufen Werkzeuge an die Hand zu geben, mit denen sie achtsamer, entspannter und gestärkter durch ihren Alltag gehen können. Denn Gesundheit beginnt nicht erst beim Arzt – sondern im täglichen Miteinander, im Umgang mit sich selbst und mit den eigenen Ressourcen.